Kenia: Regierung verbietet Musikvideo gegen Homophobie

Nairobi. In Kenia ist ein Video des Musikers ‘Art Attack’ verboten worden. In dem Clip werden gleichgeschlechtliche Paare beim Händehalten und Küssen sowie in Schlafzimmerszenen gezeigt. Am Ende begeht ein junger Mann Selbstmord, weil er mit dem gesellschaftlichen Druck nach seinem Coming Out nicht mehr fertig wird. “Ich wünschte, ich wäre nicht so geboren”, steht in seinem Abschiedsbrief.

Der Song von Art Attack heißt ‘Same Love’ und ist ein Remix des gleichnamigen Titels des US-Duos Macklemore & Ryan Lewis aus dem Jahr 2012. Ursprünglich wurde der Song für die Kampagne des Volksentscheids zur Legalisierung der Homo-Ehe in Washington aufgenommen. In Neuseeland und Australien war ‘Same Love’ ein Riesenerfolg und landete auf Platz 1 der Charts.Art Attack, der mit seinem bürgerlichen Namen Ken Kabuga heißt, wollte mit dem Video eine neue Diskussion über Homosexuellen-Rechte in Afrika anstoßen. Das ist ihm gelungen: Das Video hat seit seiner Veröffentlichung am 15. Februar auf YouTube bislang mehr als 250.000 Aufrufe verzeichnet.

Und nur eine Woche nach Veröffentlichung hat die staatlichen Behörde Kenya Film Classification Board (KFCB) das Musikvideo verboten und gleichzeitig eine Warnung an Nutzer ausgesprochen: “Jeder der das Video auf einer Plattfom teilt, kann dafür vom Gesetz zur Rechenschaft gezogen werden.” Homosexualität wird in Kenia nach dem Strafgesetzbuch verfolgt, Verstöße werden mit einer Gefängnisstrafe von bis zu 14 Jahren geahndet.

Hass, Drohungen, Gewalt

Art Attack ist seit dem Jahr 2013 in der kenianischen LGBT-Szene aktiv. Für lokale Blogs hat er sich immer wieder mit den Rechten von Homosexuellen befasst. Die Inspiration für das Video dem Gospelsängers Joji’Baro zu verdanken, der auch im Clip zu sehen ist. “Von allen Geschichten, die ich geschrieben habe, hat mich keine so stark berührt wie seine”, erzählt Art Attack. “Den Hass, der Joji’Baro entgegengeschlagen ist, hat er nicht verdient.”

Der 25-jährige Joji’Baro, der eigentlich George Barasa heißt, ist wegen seiner sexuellen Orientierung früh von seiner Familie verstoßen worden. Als Außenseiter auf der High School ist er mit Drogen und Alkohol in Kontakt gekommen. Später hat er von seiner HIV-Infektion erfahren. “Das Video erzählt von meinem Leben und basiert auf meiner Biografie”, sagt Joji’Baro. “Ich kann keine normales Leben führen. Sex zu haben ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit, weil ich mit meiner Homosexualität und HIV-Erkrankung offen umgehe.”

Joji’Baro wurde von Schwulen-Gegnern öffentlich diffamiert, verbale Drohungen aber tätliche Übergriffe waren die Folge. Trotz aller Widerstände lässt sich Joji’Baro nicht entmutigen und setzt entschlossen seinen Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen fort.

Ähnlich wie Joji’Baro ist auch Art Attack ins Visier von Hasspostern geraten und hat eine Vielzahl von Drohmails erhalten: “Ich wollte eine Debatte entfachen und habe diese Reaktionen erwartet”, meint Art Attack. “Ich bin nicht wirklich davon überrascht, dass mir Leute schreiben, ich soll zur Hölle fahren. Man muss sich aber vorstellen, wieviel Hass Homosexuelle in den Slums oder in den Dörfern jeden Tag erleben müssen.” In der Zwischenzeit ist Art Attack dankbar, dass das Video verboten wurde. Dadurch hat es noch mehr Aufmerksamkeit erfahren.

“Ich kämpfe gegen Homosexualität”

Der Abgeordnete Irungu Kang’ata, der auch Vorsitzender einer parlamentarischen Anti-Homosexuellen-Fraktion ist, begrüßt das Verbot des Musikclips. Allerdings sind die Bestrebungen, das Video auf YouTube entfernen zu lassen, bislang gescheitert. Kang’ata sieht das gelassen: “Das Verbot ist trotzdem sehr effektiv, weil es nicht viele Leute in Kenia gibt, die sich Videos im Internet ansehen. Soweit ich weiß, hören und sehen die meisten Kenianer Musik im Radio oder im TV.”

Kang’ata stößt sich vor allem an der Darstellung von Sexualität in dem Video. Weniger Kopfzerbrechen machen ihm indes die Bilder, auf denen er selbst zu sehen ist. Kang’ata hatte im Juli 2015 in Nairobi eine Demonstration gegen Homosexualität angeführt, im Video ist beim ‘Protect the Family March’ in vorderster Reihe zu erkennen. “Ich glaube, damit soll gezeigt werden, dass Homosexuelle in Kenia unterdrückt werden und dass ich einer der dafür verantwortlichen Politiker bin. Ich bin froh darüber, weil es einfach ein Fakt ist: Ich kämpfe gegen Homosexualität.”

Unterstützung erhält Art Attack u. a. von der kenianischen Rapperin und Spoken-Word-Künstlerin Grace Wambui Munene, die unter den Künstlernamen ‘Grammo Suspect’ auftritt. Sie selbst hat unlängst die Nummer ‘Our Love is Valid‘ veröffentlicht. In dem dazugehörigen Video ist sie mit ihrer Lebensgefährtin zu sehen, mit der sie seit vier Jahren zusammen ist.

“Jeder behauptet, dass Träume zählen”, sagt Grammo Suspect. “Man darf von einem gutaussehenden Ehemann träumen, ich aber möchte von einer schönen Ehefrau träumen dürfen. Menschen können sich ja ihre Träume nicht aussuchen, sie kommen einfach.”

Auch Grammo Suspect, die derzeit an ihrem zweiten Album arbeitet, hatte unter ihrem Coming Out zu leiden. Sie kämpfte mit finanziellen Problemen, Drogen und Kriminalität, bis heute wird sie nicht zu Auftritten eingeladen. “Wer soll mich schon einladen?”, fragt die Künstlerin. “Die Leute sagen doch zu den Veranstaltern: Du erlaubst einer Lesbe, in Deiner Show aufzutreten.”

Art Attack plant deshalb ein Konzert für die kenianische LGBT-Gemeinschaft. “Wir heißen jeden willkommen, aber ich will das in erster Linie für die homosexuelle Community veranstalten”, sagt der Künstler und setzt nach: “Ich kenne nämlich kein Konzert, dass Homosexuellen die Möglichkeit bietet, einfach nur Spaß zu haben.” (afr/IPS)

 

Lydia Matata