Kenia: “Blue Economy” nimmt in Afrika Fahrt auf

Nairobi (IPS/afr). Eine wachsende Anzahl afrikanischer Staaten stellt die “Blue Economy” in den Mittelpunkt ihrer Entwicklungsstrategien. Die nachhaltige Nutzung von Gewässern soll dabei helfen, die Wirtschaft in Schwung zu bringen und Armut und Hunger zu bekämpfen. Kritiker befürchten aber eine Ausbeutung natürlicher Ressourcen.

Die Blue Economy rückt die wirtschaftliche Bedeutung von Ozeanen, Meeren, Seen und Flüssen in den Fokus. Aktivitäten wie Fischfang, Seetransporte und die Gewinnung von Rohstoffen aus dem Meer sollen das Wirtschaftswachstum beflügeln und Arbeitsplätze schaffen.

In Afrika gelten Kenia, Tansania, Südafrika, Mauritius, Madagaskar, die Komoren und die Seychellen als Vorreiter der Blue Economy. Diese Länder haben bereits die Notwendigkeit erkannt, ihre Volkswirtschaften zu diversifizieren.

Denn die hohe Abhängigkeit von der Landwirtschaft stelle afrikanische Staaten zunehmend vor große Probleme, meint der kenianische Wirtschaftsforscher Danson Mwangangi: “Der Sektor ist mit vielen Herausforderungen konfrontiert, wie z. B. schrumpfendes Ackerland, Schädlingsbefall und unvorhersehbare Klimaveränderungen.”

So zeigt ein Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), dass die Maisproduktion in Kenia im Jahr 2017 im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre um 15 bis 20 Prozent gesunken ist. Schuld daran waren geringe Regenfälle und Schädlingsbefall. Allein der gefräßige Herbst-Heerwurm hat zu einem Verlust von 100.000 Tonnen Mais geführt.

Breite Unterstützung für die Blue Economy

Experten drängen daher afrikanische Länder dazu, das Potenzial von Gewässern stärker zu nutzen. Die Afrikanische Union (AU), die Weltbank und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) unterstützen das Konzept der Blue Economy.

Der kenianische Unterwasserarchäologe Caesar Bita betont, dass 70 Prozent der afrikanischen Länder entweder Küstenstaaten oder Inseln seien. John Omingo von der Kenianischen Schifffahrtsbehörde bemängelt, dass diese Ressourcen bislang zu wenig genutzt wurden. Ein Beispiel dafür sei die Schifffahrt. Obwohl Afrika von Ozeanen und Meeren umschlossen sei und 31.000 Kilometer Küste ausweise, seien nur 1,2 Prozent aller Schiffe weltweit in afrikanischem Besitz.

Die “Sustainable Blue Economy Conference” (SEBC), die vom 26. bis 28. November 2018 in Nairobi stattfinden wird, soll die Blue Economy in Afrika in Schwung bringen. Das Ziel der Konferenz ist eine globale Agenda für die nachhaltige Nutzung von Gewässern, um das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen, Arbeitsplätze zu schaffen und die Armut zu beseitigen.

“Die Ausrichtung der Konferenz in Afrika mit Kanada als Co-Gastgeber hat einen strategischen Charakter und zeigt, dass der Kontinent als wichtiger Partner in dieser Agenda ist”, meint Unterwasserarchäologe Bita. “Einige der wichtigsten Gateways für den internationalen Handel liegen in Afrika.”

Keine Blaupause für den Aufschwung

Wirtschaftsforscher Mwangangi unterstreicht, dass es allerdings keine Blaupause für die Umsetzung der Blue Economy gebe. Die Länder müssen ihre eigenen Stärken erkennen, um das wirtschaftliche Optimum herauszuholen. “Am Indischen Ozean haben wir Staaten wie Südafrika und Mauritius, die eher dazu neigen, einen industriellen Ansatz verfolgen”, sagt Danson Mwangangi.

So legt der nationale Entwicklungsplan Südafrikas, Operation Phakisa, einen Schwerpunkt auf die Blue Economy. Ziel ist es, bis ins Jahr 2030 eine Million neuer Arbeitsplätze zu schaffen. Die Wirtschaftsleistung soll bis dahin um 13 Milliarden US-Dollar steigen.

Mauritius wiederum gehört zu den kleinsten Ländern Afrikas, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen gehört es aber zu den reichsten Ländern des Kontinents. Für Experten liegt ein Grund darin, dass der Inselstaat es bereits in der Vergangenheit gut verstanden hat, die Blue Economy zu nutzen. Immerhin weisen die Hoheitsgewässer von Mauritius ungefähr die Größe Südafrikas auf.

Unterwasserarchäologe Bita teil aber die Besorgnis, dass die Blue Economy in afrikanischen Ländern in erster Linie auf wirtschaftlichen Erfolg abziele und das Thema Nachhaltigkeit kaum eine Rolle spiele. “Das ist ein Problem, da die Ressourcen der Ozeane begrenzt sind. Zum Beispiel haben Forscher Beweise dafür gefunden, dass 90 Prozent der größten Raubfische bereits aus den Weltmeeren verschwunden sind”, warnt er. (Ende)

Miriam Gathigah