Mauritius: Bio statt Chemie

Port-Louis. Wenn der 50-jährige Bauer Prem Kanossingh über seine Kollegen spricht, gerät er rasch in Rage. Der übermäßige Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft ist ihm ein Dorn im Auge. Bei einer Versammlung des Food and Agricultural Research and Extension Institute bricht es aus ihm heraus: “Sie machen Cocktails aus verschieden Produkten und benutzen sie auf ihren Feldern. Das sind Kriminelle.”

Kanossingh lebt in Union Park im südlichen Mauritius. Seit mehreren Jahren bewirtschaftet er eine Fläche von einem Hektar nach streng biologischen Richtlinien. Von anderen Bauern fühlt er sich im Stich gelassen: “Es wird noch 300 Jahre dauern, bis sich die Mentalität unserer Farmer ändern wird”, sagt er.

Amarjeet Beegoo ist Bauer in Moka im Zentralraum der Insel. Obwohl er selbst vor Jahren auf biologische Landwirtschaft umgestellt hat, geht er mit seinen Kollegen nicht so hart ins Gericht wie Kanossingh. Kein Farmer würde mehr Chemikalien als notwendig in die Erde pumpen, meint er.

“Ich selbst habe die konventionelle Landwirtschaft deshalb aufgegeben, weil die Kosten für Pestizide und chemischen Dünger in den letzten Jahren um mehr als 700 Prozent gestiegen sind”, erzählt Beegoo. “Das Geschäft war einfach nicht mehr profitabel.”

Düngemittel und Pestizide im Vormarsch

Die offizielle Statistik belegt, dass Mauritius im letzten Jahr 54.000 Tonnen chemische Düngemittel und 2.250 Tonnen Pestizide importiert hat. Im Vergleich zum Jahr 1998 bedeutet das einen Anstieg um 25 Prozent bei den Düngemitteln bzw. um 45 Prozent bei den Pestiziden.

Ein aktueller Test an 307 bäuerlichen Produkten hat allerdings ergeben, dass 72 Prozent keinerlei Pestizidrückstände aufwiesen. Bei weiteren 24 Prozent waren die Pestizidrückstände unter dem gesetzlichen Grenzwert, vier Prozent lagen darüber.

Darüber hinaus hat eine Untersuchung der Landwirtschaftskammer gezeigt, dass die Bauern in Mauritius zumindest 60 verschiedene chemischer Substanzen auf ihren Feldern ausbringen. Obwohl viele dieser Substanzen mittlerweile verboten sind, werden sie weiterhin verwendet.

Die Studie hat auch ermittelt, dass 90 Prozent der Substanzen als Präventionsmaßnahme gegen Schädlingsbefall dienen. Auch ein weit verbreitetes Missverständnis hat die Untersuchung zu Tage gefördert: Viele Bauern glauben, dass Fungizide “Vitamine für die Pflanzen” seien.

Zeit ist reif für den Umstieg

Die Generalsekretärin der Landwirtschaftskammer, Jacqueline Sauzier, ist überzeugt, dass die Zeit für den Umstieg auf ökologischen Anbau gekommen ist. Ein möglicher erster Schritt ist für sie die sogenannte ‘Intelligente Landwirtschaft’, die praktisch eine Vorstufe zur rein biologischen Produktion darstellt.

“Dabei wird der Einsatz von Chemikalien auf das Notwendigste limitiert”, erklärt Sauzier. “Stattdessen werden alternative Methoden wie Fangsysteme für Schädlinge und Fruchtwechsel propagiert. Die Produktionskosten werden reduziert, Bauern sind weniger stark den Chemikalien ausgesetzt, und die Konsumenten erhalten gesunde Produkte.”

Sauzier betont aber auch, dass der Umstieg noch dauern wird. Das gegenwärtige Umfeld ließe Bauern oft gar keine andere Wahl, als auf Chemie zu setzen. “Ihnen fehlt es an Arbeit und an Ausbildung”, sagt Sauzier. “Wenn Sie Ratschläge oder Hilfe brauchen, wenden sie sich an ihre Kollegen oder an die Verkäufer von Chemikalien. Deren Empfehlung geht dann oft in Richtung Chemikalien, ohne den Ursachen für die Erkrankung der Pflanzen auf den Grund zu gehen.”

Der Agarexperte Eric Mangar beobachtet die Entwicklung mit zunehmender Besorgnis. Mangar ist Direktor der NGO Mouvement pour l’Autosuffisance Alimentaire (Bewegung für die Selbstversorgung mit Lebensmitteln) in Rose Hill und unterrichtet Biolandwirtschaft an Schulen.

Er erinnert daran, dass Wissenschaftler selbst den Bauern zum Einsatz von Chemikalien geraten hätten, um bessere Ernten einzufahren. “Wir haben die Produktion mit Chemikalien angekurbelt, ohne dadurch den Hunger in der Welt zu beseitigen”, beklagt Mangar. “Stattdessen haben wir unsere Böden mit Chemikalien zerstört. Nun müssen wir sie wieder fruchtbar machen.” (afr/IPS)

 

Nasseem Ackbarally