Madagaskar: Saatgut zum Abendessen

Bekily. Wenn im Süden Madagaskars Ende Mai die Maisernte beginnt, wird Havasoa Philomene vor trockenen Feldern stehen. Um ihre Familie zu ernähren, hat sie das erhaltene Saatgut gekocht und als Mahlzeit serviert. Wie in etlichen anderen Ländern des südlichen Afrika auch hat das Klimaphänomen El Niño in Madagaskar zu katastrophalen Ernteausfällen geführt.

Havasoa Philomene ist 53 Jahre alt und Mutter von sieben Kindern. “Wir haben das Saatgut im Jänner zur Vorbereitung auf die Anbausaison erhalten”, erzählt sie. “Wir haben aber alle Samen innerhalb von drei Wochen aufgegessen, weil es einfach nichts anderes gab.”

Philomene lebt im Bezirk Bekily in der Region Androy im südlichen Madagaskar. Die Region ist von der Dürre besonders stark betroffen. In den sieben Bezirken des Südens fehlt Nahrung für 1,14 Millionen Menschen, berichtet die US-Entwicklungsagentur USAID.

Im Bezirk Amboasary verkaufen viele arme Haushalte ihre letzten Besitztümer wie Kleintiere, Kleidung und Geschirr, um die Dürre zu übersehen. Tausende von Kindern essen wilde Kaktusfrüchte, obwohl diese schwere Verstopfungen verursachen.

80 Prozent der Ernte fallen aus

Aufgrund der katastrophal schlechten Ernte in der letzten Saison, stand für die Anbauperiode im Februar zu wenig Saatgut zur Verfügung. Daher hat USAID in Zusammenarbeit mit der Hilfsorganisation ADRA 4.000 Haushalte in den Bezirken Bekily und Betroka mit Maissamen versorgt. Die Samen gelangten aber nicht in dei Böden: Wie im Fall von Philomene wurde das Saatgut von den hungrigen Bauernfamilien innerhalb weniger Wochen zu Mahlzeiten verarbeitet.

Bäuerinnen wie Rasoanandeasana Emillienne sagen, dass die diesjährige Regenzeit die unergiebigste der letzten 35 Jahren war. “Ich habe noch einen solche Art von Hunger erlebt”, meint die Mutter von vier Kindern. “Wir denken nur von Tag zu Tag. Wer weiß schon, was passiert, wenn er Regen überhaupt nicht wiederkehrt?”

Obwohl die Dürreperiode schon seit dem Jahr 2013 anhält, ist die Situation im Moment besonders schlimm. Der ADRA-Programmdirektor für Madagaskar, Shalom Laison, rechnet mit einem Ausfall von 80 Prozent der für Mai und Juni erwarteten Ernte.

Immer heftigere Folgen des Klimawandels

Der Süden gilt als das Armenhaus Madagaskars, nach Angaben von USAID verdienen hier neun von zehn Personen weniger als zwei Dollar pro Tag. Der US-Botschafter David Lane hat die Regierung Madagaskars aufgefordert, den Notstand zu verhängen, um mehr Aufmerksamkeit auf die Krise zu lenken. “Der Klimawandel wird immer stärker und immer unberechenbarer”, sagt Lane. “Aber die Welt bekommt von der Situation im südlichen Madagaskar nichts mit.”

Nach Angaben des UN-Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten (OCHA) führen die ungünstigen Witterungsbedingungen zu enormen Ernteausfällen im gesamten südlichen Afrika. Insgesamt sind in der Region 14 Millionen Menschen vom Hunger bedroht.

“Ein Hilfeaufruf ist sehr wichtig, um zu zeigen, dass die Dürre länger als üblich dauert, und es nicht nur rasche sondern auch nachhaltige Lösungen braucht”, meint Dina Esposito von USAID. Sie befürchtet aber, dass das Schlimmste noch bevor steht. In der nächsten Anbausaison zwischen Dezember 2016 und Februar 2017 drohe die Situation zu eskalieren, meint Esposito. (afr/IPS)

Miriam Gathigah