Ghana: Für eine Zukunft ohne Entwicklungshilfe

Accra. Am 6. März 2017 hat Ghana den 60. Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Großbritannien begangen. Von internationalen Beobachtern wird das westafrikanische Land gemeinhin als Hort von Demokratie und Stabilität in der Region gesehen. Allerdings gibt es vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht beunruhigende Signale.

Nur 3,6 Prozent betrug das Wirtschaftswachstum von Ghana im Jahr 2016 – das war die niedrigste Wachstumsrate der letzten 20 Jahre. Auch die Steuereinnahmen waren im letzten Jahr rückläufig und trugen nur noch zu 18 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Die Abgabenquote zählte zu den geringsten in der Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen, denen Ghana seit November 2010 angehört.

Auch die Staatsverschuldung ist hoch und liegt mit 74 Prozent deutlich über jener der Nachbarstaaten Benin, Burkina Faso und Côte d’Ivoire, die einen Verschuldungsgrad zwischen 32 und 36 Prozent verzeichnen.

Ein weiteres Problem ist die schwache Infrastruktur und das kränkelnde Bildungssystem: Die Bevölkerung und die Unternehmen im Land plagen sich mit einer schier unberechenbaren Stromversorgung, die bereits viele Firmen in den Konkurs getrieben hat. In etlichen Schulen des Landes lernen Kinder immer noch unter Bäumen statt in Klassenzimmern.

Debatte um Unabhängigkeitsfeier

Die besorgniserregenden wirtschaftlichen Kennzahlen haben in Ghana zu einer heftigen Debatte geführt, ob der Jahrestag der Unabhängigkeit unter diesen Umständen überhaupt gefeiert werden sollte. Schließlich hatte die Regierung für die pompösen Festlichkeiten 4,3 Millionen US-Dollar zur Seite gelegt, die an anderer Stelle wohl besser investiert gewesen wären, so Kritiker.

Der neue Präsident Nana Akufo-Addo konterte, dass das Budget nicht vom Steuerzahler sondern von Unternehmen bereitgestellt worden wäre. Auch hätte das 30-köpfige Vorbereitungskomitee, dessen Vorsitz Akufo-Addo innehatte, unentgeltlich gearbeitet.

Vielen ist in diesem Zusammenhang aber noch die 50-Jahr-Feier in schlechter Erinnerung, die über 60 Millionen US-Dollar gekostet hat. Damals gab es schwere Vorwürfe gegen die Veranstaltungsorganisation, das Gelder veruntreut haben soll.

Mehr Transparenz gefordert

Patrick Stephenson ist der Leiter des Zentrums für Ökonomische Regierungsführung und Politische Angelegenheiten beim Think Tank Imani in Accra. Er fordert von der Regierung die Veröffentlichung aller Unternehmen, die das Jubiläum gefördert haben, und die Höhe ihrer finanziellen Zuwendungen.

Stephenson ist überzeugt, dass dies “der einzige Weg ist, wie wir sicherstellen können, dass ein Unternehmen wegen seiner Unterstützung des Events keine unangemessenen Vorteile bei öffentlichen Auftragsvergaben erhält.”

Der Jahrestag der Unabhängigkeit wurde mit Paraden begangen, an denen Sicherheitsbehörden, Gewerkschaften und Schulkinder teilnahmen. Am Beginn der Feier entzündete der Präsident das Unabhängigkeitsfeuer.

Stephenson hält die bombastische Inszenierung für antiquiert. Er plädiert stattdessen dafür, moderne Aspekte der Wirtschaft und der Kultur des Landes in den Vordergrund zu rücken. “So könnte man z. B. Kakao, eine unser größten Cash Crops, zum Thema der Gedenkfeier machen”, schlägt Stephenson vor. “Wir könnten die Geschichte und die aktuelle Situation beleuchten und uns mit den Herausforderungen beschäftigen, wie wir die Produktion verbessern können.”

Vorschusslorbeeren für neue Regierung

Der 6. März ist in Ghana ein Nationalfeiertag, aber die meisten Menschen konnten es sich nicht leisten, den Tag frei zu nehmen. Im zentralen Geschäftsviertel der Hauptstadt Accra gingen die Händler fleißig ihrer Arbeit nach.

Viele Geschäftsleute halten große Stücke auf die neue Regierung. Der neue Finanzminister Ken Offori-Attah war vor seiner Ernennung Investmentbanker und erfolgreicher Unternehmer. Zu seinen ersten Taten zählte die Abschaffung von nicht weniger als neun Steuern, die in der Vergangenheit ohnehin wenig zum Staatshaushalt beigetragen und die Wirtschaft unnötig eingeschränkt haben. Zu diesen Steuern zählen z. B. die Abgaben bei der Einfuhr von Ersatzteilen oder beim Erwerb von Petroleum.

“Diese Maßnahmen helfen uns Unternehmern sehr”, sagt der 32-jährige Bekleidungsverkäufer Francis Agyei, “und wenn erst die neue politische Richtlinie ‘Eine Fabrik pro Bezirk’ implementiert ist, werden viele von uns nach Hause zurückkehren können. Denn hier in Accra geht ein Großteil unseres Einkommens für die Miete drauf. In meiner Heimatstadt müsste ich keine Miete zahlen und könnte das Geld für etwas anderes nutzen.”

Regierung will Staat ohne Abhängigkeit vom Ausland

Für Owusu Adu Sarkodie, Dozent an Wirtschaftsinstitut der Universität von Ghana, braucht es aber einen weiteren Richtungswechsel, wenn die Träume von Francis Agyei in Erfüllung gehen sollen.

Sarkodie tritt für eine Kehrtwende bei der bisherigen Schuldenpolitik ein. “Wenn wir uns schon Geld leihen, müssen mir umsichtiger damit umgehen”, mahnt der Wirtschaftsexperte. “So haben wir uns im letzten Jahr 17 Milliarden Cedi (ca. 3,5 Mrd. Euro) ausgeborgt, aber davon nur sieben Milliarden (ca. 1,5 Mrd. Euro) investiert. Wohin ist der Rest verschwunden? In den Konsum.”

Die Visionen des neuen Präsidenten Nana Akufo-Addo reichen sogar noch weiter. Vor wenigen Wochen hatte Akufo-Addo bei seiner Rede vor dem Parlament angekündigt, den Staat von ausländischer Hilfe unabhängig machen zu wollen.

“Wir werden eine Politik einführen, die nachhaltiges Wachstum schafft und Korruption ausschaltet,” so der Präsident, der am 7. Januar 2017 sein Amt angetreten hat. “Wir werden uns auf den Weg machen und ein Ghana errichten, das nicht von Barmherzigkeit abhängig ist. (…) Es wird ein Ghana jenseits der Hilfe.”

Kwaku Botwe