Kenia: Unternehmerinnen fehlt der Zugang zum Kapitalmarkt

Nairobi (IPS/afr). Soi Cate Chelang fertigt Möbel aus Holzpaletten. Die einfachen, aber liebevoll dekorierten Produkte erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Chelang kann aber die Nachfrage nicht bedienen: Denn für eine Expansion fehlt ihr schlicht das Geld. Und Banken haben ihr eine Absage erteilt.

Chelang hat keine klassische Tischlerlehre absolviert. Allerdings hat der Schreinerberuf in ihrer Familie Tradition. Den Großteil ihres Könnens verdankt sich ihrem Großvater und ihrem Onkel. Und was sie nicht weiß, lernt sie im Internet nach.

Ihre kleine Tischlerei in der Stadt Kisumu hat sie bereits von einem Jahrzehnt gegründet. Sie gilt als Pionierin in der Möbelproduktion aus Holzpaletten in Kenia: “Meine Entwürfe zeichnen sich dadurch aus, dass ich viele verschiedene Elemente kombiniere”, erzählt Chelang. “Es geht nicht nur darum, das Holz in eine Sitzbank zu verwandeln. Ich benutze farbenfrohe Stoffe, die vor allem weibliche Kunden lieben. Ich baue auch Kindermöbel und verwende dafür Stoffe mit beliebten Cartoons.”

Ein Palettensofa mit drei Sitzplätzen kostet – je nach Design und Material – zwischen 100 bis 300 US-Dollar. Ihr Unternehmen “Soi Pallet Designs” vermarktet sie vor allem über Social Media. Die 35-jährige Unternehmerin macht sich aber große Sorgen, dass sie die Chance auf Wachstum verpasst.

“Ich habe nicht das Geld, um eine richtige Werkstatt und einen Showroom einzurichten”, erklärt Chelang das Dilemma. “Ich kann keine Verträge zur Herstellung von Sitzmöbeln für die großen Clubs in der Stadt unterzeichnen, da ich kein Kapital habe, um so große Auftrag vorzufinanzieren.”

Firmen in Frauenbesitz: Afrikanische Staaten an der Weltspitze

Bei Banken hat sie erfolglos angeklopft. Die Institute verwehren Kredite, wenn keine entsprechenden Sicherheit vorliegen. Diese Problematik ist praktisch in ganz Afrika bekannt. Laut dem “MasterCard Index of Women Entrepreneurs 2019”  ist der Zugang zu Kapital einer der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass Unternehmerinnen durchstarten können.

Dabei besitzen in einigen afrikanischen Staaten mehr Frauen als anderswo. In der weltweiten Wertung von MasterCard liegt Uganda an der Spitze: 38,2 Prozent aller Unternehmen stehen hier im Eigentum von Frauen. Auf den Podestplätzen folgen mit Ghana (37,9 %) und Botswana (36 %) zwei weitere afrikanische Staaten.

Bei der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) ist man sich der finanziellen Zwänge von Frauen in der Wirtschaft bewusst. Die AfDB beziffert die Kapitallücke zwischen weibliche und männlichen Unternehmern in ganz Afrika mit enormen 42 Milliarden US-Dollar.

Staatliche Garantien für Kredite an Frauen

Um diese Lücke zu schließen, haben die afrikanischen Staatsoberhäupter bereits 2016 das Programm “Affirmative Finance Action for Women in Africa” (AFAWA) beschlossen. Durch das Programm sollen staatliche Garantien für Kredite an Frauen gewährleistet werden. Während des “Global Gender Summit”, der von 25. bis 27. November 2019 in Kigali stattfand, wurde AFAWA offiziell ins Leben gerufen.

Das Finanzierungsinstrument soll insgesamt drei Milliarden US-Dollar für Unternehmerinnen freigesetzt werden. Dafür wurde ein eigenes Ratingsystem geschaffen. Einerseits können Banken damit die Kreditwürdigkeit der Antragstellerinnen bewerten, andererseits werden aber auch die sozioökonomischen Auswirkungen des Vorhabens beurteilt.

Die kenianische Finanzexpertin und Unternehmerin Irene Omari beurteilt das Programm als wichtige Maßnahme: “Banken nehmen Unternehmerinnen nicht ernst”, sagt sie. “Die Banken sind noch weit davon entfernt, mit Unternehmerinnen Geschäfte zu machen. Wir werden von Finanzinstituten immer noch als sehr risikoreich eingestuft, da uns die Sicherheiten fehlen.”

Frauen verfolgen andere unternehmerische Ziele

Als Alleininhaberin von “Top Strategy Achievers Limited“, einem millionenschweren Werbe- und Marketingunternehmen in Kisumu, kennt Omari die finanziellen Herausforderungen, mit denen Frauen konfrontiert sind.

“Ich habe mit 23 Jahren in der Hotellerie angefangen”, erzählt Omari. “-Schon damals wollte ich als Vermittlerin zwischen Marketingfirmen und Kunden arbeiten. In Kisumu war diese Dienstleistung kaum zu finden. Ich habe jede Münze, die ich gemacht habe, in mein Unternehmen investiert.”

Omari meldete ihre Firma 2013 an. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch bei einer örtlichen Bank beschäftigt. “Mein Gehalt deckte die beiden Mitarbeiter, die Büromiete und alle anderen Kosten, bis das Unternehmen auf eigenen Beinen stehen konnte”, berichtet sie über die nicht einfache Anfangszeit.

Francis Kibe Kiragu, Dozent für Gender- und Entwicklungsstudien an der Universität von Nairobi, sieht einen wesentlichen Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Unternehmertum: “Frauen in selbstständiger oder unternehmerischer Tätigkeit sind von der Notwendigkeit und nicht von der Innovation getrieben. Sie wollen nur ihre Grundbedürfnisse befriedigen und werden daher als sehr sparsam wahrgenommen.”

Aufgrund dieser Herausforderungen würden Frauen mit größerer Wahrscheinlichkeit als Männer ihre Geschäftstätigkeit auch wieder einstellen. Die Möbelproduzentin Soi Cate Chelang ist da keine Ausnahme: “Zehn Jahre nach dem Start stehe ich immer noch vor den gleichen finanziellen Herausforderungen. Oft bin ich nahe dran, meinen Traum aufzugeben und mir eine Anstellung zu suchen.” (Ende)

Miriam Gathigah