Kamerun: Ernährungskrise wegen Boko Haram

Yaounde. John Guige ist dem Terror von Boko Haram entkommen. In Flüchtlingslager Minawao in der Region Extrême-Nord in Kamerun unterrichtet er nun als Grundschullehrer. Die Versorgungslage bezeichnet er als schwierig: “Die Nahrungsmittel wurden reduziert, aber wir schaffen das. Wir sind Flüchtlinge und haben ohnehin keine Wahl. Alles was wir zu essen bekommen sind Reis und ein paar Sojabohnen.”

Die Kürzung der Nahrungsmittel ist ein Problem, das die gesamte Region Extrême-Nord betrifft. Der nördliche Zipfel Kameruns grenzt im Norden, Osten und Südosten an den Tschad und im Westen an Nigeria. Für Felix B. F. Gomez, Landesdirektor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), liegt der Grund für die Ernährungskrise in der wachsenden Instabilität der Region. Im letzten Jahr haben die Überfälle von Boko Haram stark zugenommen.

“Die Anzahl der Menschen, die von der Ernährungsunsicherheit betroffen sind, hat sich seit Juni 2015 verdoppelt”, sagt Gomez. “Geschätzte 1,4 Millionen Menschen haben eine unsichere Ernährungssituation, das ist ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Region. 200.000 von ihnen sind sehr schwer betroffen, das ist ein Anstieg von mehr als 300 Prozent seit Juni 2015.”

1.200 Menschen sind dem Terror zum Opfer gefallen

Die Region Extrême-Nord mit der Hauptstadt Maroua ist seit 2013 Ziel von Angriffen durch Boko Haram. Im Jänner hat Kameruns Kommunikationsminister Issa Tchiroma Bakary bekanntgegeben, dass durch den Terror mehr als 1.200 Menschen in der Region ihr Leben verloren haben. In einer Pressekonferenz Mitte Februar hat Tchiroma verkündet, dass das kamerunische Militär einen Angriff auf das nigerianische Grenzdorf Goshi durchgeführt und dabei 126 Terroristen getötet hat. Im Zuge des Gegenschlags wurden auch einhundert Menschen aus den Fängen von Boko Haram befreit.

Laut UNHCR sind mehr als 70.000 Menschen vor dem Boko-Haram-Terror aus Nigeria nach Kamerun geflüchtet. Der Großteil der Flüchtlinge ist den drei Grenzbezirken Logone-et-Chari, Mayo-Sava und Mayo-Tsanaga untergebracht. Eine Erhebung der kamerunischen Regierung letzten November hat ergeben, dass hier zumindest 132.000 Tonnen Getreide fehlen, um die Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen.

Das Flüchtlingslager Minawao liegt im Bezirk Mayo-Tsanaga. Als das Camp im Juli 2013 eröffnet wurde, fanden hier 7.000 Flüchtlinge aus Nigeria eine Zufluchtsstätte. Mittlerweile platzt das Lager aus allen Nähten und beherbergt mehr als 50.000 Menschen.

Über 150.000 Kinder brauchen Hilfe

Laut Gomez wird die Situation dadurch verschärft, dass viele Gesundheitseinrichtungen aufgrund der unsicheren Lage geschlossen worden sind. Der WFP-Verantwortliche für Kamerun sagt, dass das Auftreten von moderater Unterernährung von sieben Prozent im Jahr 2014 auf 11,7 Prozent im Jahr 2015 gestiegen sei. Die Fälle von schwerer Unterernährung hätten in der Region bereits die Zwei-Prozent-Marke und damit die Schwelle zum Notstand überschritten.

“Wir rechnen damit, dass im Jahr 2016 über 150.000 Kinder unter fünf Jahren und 30.000 Mütter auf dringende Nahrungsmittelhilfe angewiesen sein werden”, prognostiziert Gomez. “Die Situation könnte sich weiter verschlechtern, wenn die Notmaßnahmen durch Unsicherheit, schlechte Ernten oder weitere Vertreibungen nicht bereitgestellt werden können.”

Das Welternährungsprogramm hat gemeinsam mit seinen humanitären Partnern deutliche Verbesserungen der Ernährungssituation im Minawao Flüchtlingslager erreicht. Anfang 2015 lag der Anteil der akut unternährten Personen bei 19 Prozent, im Dezember 2015 nur mehr bei sieben Prozent. Gomez betont, dass die Situation aber außerhalb des Lagers kritisch sei und weitere Anstrengungen erfordern.

Für Entspannung könnte der nationale Notfallplan der kamerunischen Regierung sorgen. Innenminister Rene Emmanuel Sadi hat angekündigt, dass er 282 Millionen US-Dollar bereitstellen wird, um für die insgesamt 325.000 Flüchtlingen und Binnenvertriebene Schutz und Hilfe zu gewährleisten. Denn neben Nigeria kommen vor allem auch Flüchtlinge aus der Zentralafrikanischen Republik und dem Tschad nach Kamerun.

Gomez hoffe auf eine rasche Umsetzung des Notfallplans: “Wir brauchen 85,3 Millionen US-Dollar, um die Ernährungssicherheit für 2016 herstellen zu können. Alleine in der Region Extrême-Nord werden 40 Millionen US-Dollar benötigt – bis jetzt sind aber erst 51 Prozent der Anforderungen erfüllt worden.” (afr/IPS)

Mbom Sixtus-Yaounde